Wortschatz

Der Wortschatz legt den Grundstein für die Sprachhandlungsfähigkeit. Die Lernenden benötigen Inhaltswörter, Verben, Nomen und Adjektive, genauso wie Strukturwörter wie Artikel, Pronomen, Konjunktionen und Präpositionen, um erfolgreich erzählen oder beschreiben zu können. Der Wortschatz ist aber mehr als einzelne Wörter – wir kommunizieren und lernen Wortschatz in Sätzen und Texten. Beim Einstieg in die deutsche Sprache behelfen sich Lernende mit Chunks, damit sie trotz niedriger Sprachkompetenz aktiv kommunizieren und sich am Unterrichtsgeschehen beteiligen können.

Bei der vernetzten Wortschatzarbeit werden den Schülerinnen und Schülern von Anfang an innere Bilder und Konzepte vermittelt. Diese Konzepte stellen den Grundstein für erfolgreiche (bildungs-)sprachliche Entwicklung dar und entstehen, wenn die Lernenden vielfältige Erfahrungen sammeln und darüber sprechen können (Allgäuer-Hackl et.al., 2018). So ist das innere Bild eines Geburtstagsfests sehr individuell und abhängig von den jeweiligen Festen, die ein Mensch erlebt hat. Entsprechend unterscheidet sich der Wortschatz, der für die Beschreibung eines Festes gebraucht wird, denn bei manchen gibt es eine Geburtstagstorte, bei anderen Geburtstagsnudeln und wieder andere feiern mit Feenbrot. Aber auch um z.B. Vergleiche anzustellen, benötigen die Schülerinnen und Schüler ein Konzept davon, was Vergleiche sind und wie sie sprachlich ausgedrückt werden können. Der ständige Abgleich der gedanklichen Konzepte mit einem dazugehörigen Begriff bzw. Begriffsnetz zwischen der Lehrperson und den Lernenden ist notwendig, um mögliche Lücken in der Begriffsbildung ausgleichen zu können.

Im Lauf ihrer kognitiven und sprachlichen Entwicklung erweitern Kinder und Jugendliche ihr Repertoire an mentalen Konzepten immer wieder, wenn sie neue Erfahrungen machen. In der Schule schließlich kommen bildungssprachliche Konzepte hinzu, die es ihnen ermöglichen, fachliche Inhalte zu verarbeiten. Diese Konzepte erwerben und vertiefen sie einerseits fächerübergreifend, wie die Realisierung verschiedener sprachlicher Handlungen, z.B. das Beschreiben. Andererseits lernen sie fachspezifische Konzepte kennen, wie z.B. das Durchführen eines naturwissenschaftlichen Experiments. Der DaZ-Anfangsunterricht soll dazu beitragen, dass sich die Schülerinnen und Schüler Themenbereiche sprachlich erschließen und zu den neu erworbenen Wörtern und Sätzen innere Bilder entwickeln, die auch bildungssprachlich korrekt zum Ausdruck kommen können.

Wortschatz aufbauen 

Die Wortschatzarbeit findet immer kontextbezogen und im DaZ-Anfangsunterricht hauptsächlich auf der Handlungsebene statt („Begriffe bilden durch Begreifen“) sowie altersangemessen in spielerischer Form. Die Wortschatzauswahl orientiert sich daran, welche Wörter und Phrasen / sprachliche Mittel die Schülerinnen und Schüler für erfolgreiche Kommunikation in ihrer schulischen und außerschulischen Lebenswelt benötigen, damit „Sprachnotsituationen“ (MBWK SH, 2018) gelöst und individuelle Bedürfnisse ausgedrückt werden können (z.B. Darf ich bitte…). Hier spielen die Emotionen der Lernenden eine große Rolle, da sich die Notwendigkeit über bestimmte Wörter zu verfügen, um sich verständigen zu können, positiv auf die Motivation auswirkt. Somit werden Wörter ausgewählt, die relevant und zukunftstauglich sind (Apeltauer, 2017), wobei zu diesem Zeitpunkt Chunks durchaus einen großen Anteil des produktiven Wortschatzes ausmachen können.

Zu Beginn muss nicht darauf Rücksicht genommen werden, welche Wörter evtl. Schwierigkeiten bei der Aussprache bereiten könnten – anders als bei der Alphabetisierung, wo die Auswahl der Wörter sich sehr wohl an gewissen Kriterien des Schreibenlernens orientiert. Damit einher geht deshalb eine hohe Fehlertoleranz der Lehrperson in Bezug auf die Aussprache (MBWK SH, 2018). 

Das Bewusstmachen von Gesetzmäßigkeiten und sensibel eingesetzte Korrekturen begleiten jedoch sehr wohl das Erlernen von Wortschatz, Aussprache und Intonation. Das Wissen um Interferenzen und damit phonologische Bewusstheit unter Berücksichtigung von Mehrsprachigkeit von Seiten der Lehrperson sind grundlegend, um diese phonologische Bewusstheit auch bei den Schülerinnen und Schülern fördern zu können. 

Wortschatz erweitern

Wichtig ist es, den Schülerinnen und Schülern Strategien für die Wortschatzerweiterung zu vermitteln, einerseits durch die explizite Präsentation und das gemeinsame Erproben im Unterricht, andererseits durch das bewusste Einbauen in Unterrichtsaktivitäten. Folgende Strategien tragen produktiv zur Wortschatzerweiterung bei (Jeuk, 2003 – siehe auch USB DaZ): 

  • Einsatz von Paraphrasen (Ersetzungen, Umschreibungen) 
  • Einsatz von Neologismen (Wortneuschöpfungen) 
  • Fragen nach Wörtern und später auch nach Zusammenhängen 
  • Selbstkorrekturen, auch hörerinitiierte Korrekturen 
  • Basiswissen zur Wortbildung (metasprachliche Aspekte) 

Schülerinnen und Schüler müssen die Gelegenheit haben, Wörter in möglichst vielfältigen Zusammenhängen und in unterschiedlichen Situationen zu erlernen, um sie im semantischen Gedächtnis abzuspeichern. Auch ihre Erfahrung über verschiedene Wahrnehmungskanäle trägt dazu bei, wenn sie z.B. Wörter und Sätze flüstern, sprechen und rufen, ein Wortfeld in Form eines Wortigels visualisieren oder verschiedene Formen der Fortbewegung selbst ausprobieren (hüpfen, kriechen, schlendern etc.). Die Reflexion über Wörter und ihre Vernetzung führt zur Festigung der Wörter und zur Entwicklung von Strategien (Nodari, 2006). 

Inhaltlich können die Lernangebote differenziert werden, indem zu einem Thema unterschiedlich in die Tiefe gegangen wird. In der Handreichung „Curriculare Anforderungen Deutsch als Zweitsprache“ (MBWF SH, 2018) wird folgendes anschauliche Beispiel für die spiralcurriculare Bearbeitung des Themas „Körper“ gebracht: 

So lernt gegebenenfalls Schüler A (eingebettet in Dialoge) die ersten fünf Wörter zum Thema Körper und benennt die häufig vorkommenden Körperteile mit Artikel (der Kopf, die Hand), während Schüler B, der die Basisstufe bereits einige Wochen länger besucht und sich Wörter gut merken kann, bereits seltener vorkommende Wörter neu erlernt (die Wimper) oder lernt, Krankheiten zu benennen und dafür Komposita zu bilden (Ich habe Kopfschmerzen.). 

(MBWK SH, 2018, S. 12)

Neben den Inhaltswörtern nimmt die Lehrperson Strukturwörter immer stärker in den Fokus, die für das Sprachverstehen der Schülerinnen und Schüler, insbesondere für die Entwicklung ihrer mündlichen und schriftlichen Textkompetenz, essentiell sind. Die Lehrperson vermittelt Strukturwörter in Verbindung mit Inhalten und Themen, indem sie mit gezielten Aufgabenstellungen bestimmte sprachliche Formen evoziert

Literatur

Allgäuer-Hackl, E., Naphegyi, S., Sammer, G. & Steinböck-Matt, S. (2018a). 5 Bausteine umfassender sprachlicher Bildung. Basiswissen für Volksschulen. Amt der Vorarlberger Landesregierung (Hrsg.). https://sprachelesen.vobs.at/fileadmin/web/material/sprache/5Bausteine/vs/A_Broschuere_5Bausteine_VS.pdf

Allgäuer-Hackl, E., Naphegyi, S., Sammer, G. & Steinböck-Matt, S. (2018b). 5 Bausteine umfassender sprachlicher Bildung. Basiswissen für die Sekundarstufe I. Amt der Vorarlberger Landesregierung (Hrsg.). https://sprachelesen.vobs.at/fileadmin/web/material/sprache/5Bausteine/sek/A_Broschuere_5Bausteine_SEK.pdf

Apeltauer, E. (2017). Wortschatzentwicklung und Wortschatzarbeit. In B. Ahrenholz & I. Oomen-Welke (Hrsg.), Deutsch als Zweitsprache (DTP, Bd. 9, S. 306–326) (4., vollst. überarb. u. erw. Aufl.). Schneider.

Jeuk, S. (2003). Erste Schritte in der Zweitsprache Deutsch. Eine empirische Untersuchung zum Zweitspracherwerb türkischer Migrantenkinder in Kindertageseinrichtungen. Fillibach.

Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Schleswig-Holstein (MBWK SH) (Hrsg.). (2018). Curriculare Anforderungen Deutsch als Zweitsprache. Allgemein bildende Schulen. https://fachportal.lernnetz.de/files/Inhalte%20der%20Unterrichtsf%C3%A4cher/Deutsch%20als%20Zweitsprache/Curriculare%20Anforderungen/Curriculare%20Anforderungen%20DaZ.pdf

Nodari, C. (2006). Grundlagen der Wortschatzarbeit. Institut für Interkulturelle Kommunikation. www.foermig.uni-hamburg.de/pdf-dokumente/grundlagen-wortschatzarbeit.pdf